Wie im Datenjournalismus gearbeitet wird und welche Entwicklungsperspektiven für Journalisten hier liegen, darüber haben 30 Kolleginnen und Kollegen auf einer Gemeinschaftsveranstaltung von Deutschem Journalisten-Verband, Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg, Südwestdeutschem Zeitschriftenverlegerverband und dem Netzwerk Kreativwirtschaft am 4. Juli 2017 im Ulmer Verschwörhaus diskutiert.
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Mitschnitt der Vorträge der Veranstaltung „Datenjournalismus – Praxis und Perspektiven“.
„Wir Journalisten müssen unsere Geschichten mit Zahlen und Daten belegen“, argumentierte Peter Welchering vom DJV Baden-Württemberg in seinem Einführungsvortrag auf der Konferenz
„Datenjournalismus – Praxis und Perspektiven“. Und genau das sei eben nicht so grundlegend neu, wie von vielen behauptet.
Datenjournalistische Methoden in der Recherche sind tatsächlich schon sehr alt. Dem stimmte auch Jan Georg Plavec von der Stuttgarter Zeitung zu. Allerdings könnten die Rechercheergebnisse jetzt
online mit einer noch nie dagewesenen Interaktivität umgesetzt werden.
Für Marie-Louise Timcke von der Initiative Journocode sind datenjournalistsiche Recherchemethoden und die Präsentation der Ergebnisse zwei Seiten einer Medaille. „Jede Seite kann man aber auch
für sich betrachten“, meint Journalistik-Studentin von der Technischen Universität Dortmund, die im Datenteam der Berliner Morgenpost mitarbeitet. „Es geht dabei immer darum, neue Zusammenhänge
zu entdecken und aufzuzeigen, die dann Gegenstand der Berichterstattung werden“, schätzt Zeitungsredakteur Jan Georg Plavec ein. Dabei führen sehr viele unterschiedliche Methoden zum
datenjournalistischen Ziel. Statistische Erhebungen, Wahrscheinlichkeitsberechnungen, Inferenzanalysen zur Prognose kommender Ereignisse sind da einige Beispiele.
„Der Nerd spricht eben eine andere Sprache und weiß wenig vom journalistischen Alltag“, meint Zeitungsredakteur Plavec. Er plädiert für einen Runden Tisch, um Programmierer, Datenanalysten und
Journalisten miteinander ins Gespräch zu bringen. „Noch schlimmer aber ist der Datenjournalismus-Darsteller, der sich hinter Cascading Style Sheets, Javascript und XML versteckt, ohne sie zu
kennen, damit aber einen neuen Schamanismus pflegt“, sagt Peter Welchering. Auf zu vielen Konfernezen würde mit solchen Begriffen dann ein wenig Datenjournalismus-Bingo gespielt, ohne in der
Sache weiterzukommen.
Welchering nahm sich denn auch die neue Religion des „Dataismus“ vor, die die Installation eines Linux-Betriebssystems in der Redaktion zum Initiationsritus erklärt, und Geocoding als heilige
Handlung ansieht. „Noch mehr ärgern mich aber die Kollegen, die hier mit tollen Konzeptbegriffen um sich werfen, aber die Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent nicht als Erhöhung um drei
Prozentpunkte, sondern als dreiprozentige Erhöhung missverstehen“, macht Welchering seinem Unmut Luft.
Mit ganz einfachen datenjournalistischen Projekten anzufangen, rät deshalb Jan Georg Plavec: „Dann kann aus einer Kartenübersicht zu freien Kita-Plätzen schnell ein Projekt zur
Feinstaubkartierung werden.“ Auch unterhaltende Elemente sind dabei wichtig.
So waren sich die Vortragenden des Datennachmittags im Ulmer Verschwörhaus mit den Veranstaltungsteilnehmern denn auch einig: Ohne datenjournalistische Methoden kann ein Journalist seine
Wächterfunktion nicht mehr richtig wahrnehmen. „Dafür aber müssen diese datenjournalistischen Methoden richtig vermittelt werden“, fordert Marie-Louise Timcke. Mit ihrer Initiative „Journocode“
will sie das verbessern. Die Nase vorn hat hier die Journalistenausbildung in Baden-Württemberg. Im Grundlagenseminar für Zeitschriftenvolontäre werden datenjournalistische Methoden im Modul
„digitale Recherche“ seit dem Jahr 2012 vermittelt. DJV und Zeitschriftenverlegerverband, die dieses Grundlagenseminar gemeinsam tragen, wollen Themen dieser Art noch ausbauen. Auch die
Zeitungsverleger haben hier Interesse angekündigt, halten sich bisher aber noch auffallend zurück, wenn es um Fortbildungen in Sachen „Datenjournalismus“ geht.