Mehr als acht Monate Vorbereitung, ein neues Konzept mit sieben Veranstaltungsformen, zehn Wochen mit intensiver Werbung, mehrere Stunden Aufbau in der SRH-Hochschule Heidelberg, mehr als 100 Teilnehmer: Das war das erste Medien|Zukunft|Festival. Organisiert wurde es von einem kleinen Team aus Mitgliedern des Deutschen Journalisten-Verbands Baden-Württemberg und Unterstützern. Und das hatte sich für das Publikum, das von Studierenden von zumeist medienaffinen Fächern über interessierte Wissenschaftler bis zu langjährigen Print- oder Online-Redakteuren reichte, ein abwechslungsreiches, vor allem aber interaktives Programm einfallen lassen.
Das begann schon beim Auftakt, der Begrüßung durch die Moderatorin Alina Welser, die die Gäste in Bewegung brachte, und nach und nach die für Online Tätigen, die Zeitungsliebhaber oder die
Berufserfahrenen aufstehen oder sich wieder hinsetzen ließ. Und auch bei der Keynote, gehalten von Laura Himmelreich, Chefredakteurin der deutschsprachigen Ausgabe des Magazins VICE, war die
Teilnahme wortwörtlich gefragt. Wie viel Zeit wendet die Redaktion für die Geschichten auf? Welchen Einfluss haben Werbekunden? Und ob es trotz der gezeigten Beispiele mit persönlichen Zugängen
zu einem Thema auch eine Einordnung gebe, wollten Zuhörer wissen, nachdem Himmelreich über ihre Arbeit und die ungewöhnliche Herangehensweise der Redaktion berichtet und viele inspiriert hatte.
[MEHR zur Keynote http://medien-zukunft-festival.de/vom-besten-job-und-den-besten-blickwinkeln-keynote-von-laura-himmelreich-vice/]
Im Anschluss hielt Dr. Wolfgang Kreißig, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation, eine kurze Begrüßungsrede. Er betonte dabei die Wichtigkeit des Journalismus gerade auch im Lokalen, sprach
aber auch die Herausforderungen der Branche an.
Und um diese ging es schwerpunktmäßig in der folgenden Diskussionsrunde zu "Ist der Lokaljournalismus tot?" Diese war als "Fishbowl" aufgebaut, das heißt, dass Gäste aus dem Publikum sich mit
aufs Podium setzen konnten zu Petra Nann (Betreiberin des Blogs "ImLändle"), Alina Welser (Jugendpresse, freie Printjournalistin), Gerhard Mandel (Redaktionsleiter Kurpfalz Radio des SWR), Götz
Münstermann (Online-Chef Rhein-Neckar-Zeitung) und Dirk Lübke (Chefredakteur Mannheimer Morgen). Und es dauerte nicht lange, da war schon die erste Mutige oben, die die Frage stellte, warum es
immer als so erstrebenswert gelte, jüngere Leser erreichen zu müssen - schließlich würden die doch auch mal älter. [MEHR zur Fishbowl http://medien-zukunft-festival.de/eine-quicklebendige-zukunft-die-fishbowl-diskussion-zum-lokaljournalismus/]
Diese Zielgruppe stand dann bei der zweiten Diskussion ("Die Zukunft des Volontariats") im Fokus. Die Runde war zwar klassisch ausgerichtet, aber auch hier waren Fragen aus dem Publikum möglich.
Und die gingen durchaus teils ins Grundsätzliche, etwa nach der Sinnhaftigkeit dieser Ausbildung, wegen des relativ hohen Alters, das man in der Regel nach Studium, eventuell freier Mitarbeit und
dann noch einem Volontariat hat. Doch hier kam Widerspruch von den teilnehmenden Volontären, die durchaus einen Unterschied sahen, ob man als freier Mitarbeiter Termine wahrnimmt, oder lernt, aus
dem Wust eingehender Mails und Einladungen herauszufiltern, was man besetzt, und wie man Themen langfristig begleitet.
Parallel zu den beiden Diskussionsrunden liefen die drei Workshops, zu denen sich die Teilnehmer zuvor wegen einer Platzbegrenzung hatten zeitig anmelden müssen. Zur Auswahl standen die jeweils
zwei Stunden dauernden Angebote zum Thema Visualisierung (Referentin: Lara Schmelzeisen) und Mobile Publishing (Dr. Marie Elisabeth Mueller; (MEHR hier: http://medien-zukunft-festival.de/eine-voellig-neue-welt-mit-apps-und-storys-der-workshop-mobile-publishing/)
sowie der praktische Kurs zu Mobile Reporting (Christian Bachmann und Tobias Wolf von der Sächsischen Zeitung), der sich über vier Stunden erstreckte (Ergebnis als Video HIER https://drive.google.com/file/d/1lWDd2FjAcDCmwjxx9SuEsMo6YKe833b_/view?usp=sharing).
So vielfältig wie die Workshops präsentierte sich auch das Barcamp nach der Mittagspause, in der ebenso Zeit war, sich auf dem "Markt der Möglichkeiten" an den Ständen von Medienunternehmen zu
informieren und Kontakte zu knüpfen. Neun Vorschläge für Sessions - im Fall des MZF je 45 Minuten dauernde Zeitfenster für Vorträge oder Diskussionsrunden in drei verschiedenen Räumen - gab es
aus den Reihen der Teilnehmer für das Barcamp. Besonders nachgefragt war das Angebot von Exiljournalisten aus der Türkei, die über ihre Fluchterlebnisse und ihre Arbeit nun von Deutschland aus
berichteten, und die ihre Gesprächsrunde auch nach der veranschlagten Zeit fortsetzten. [MEHR: http://medien-zukunft-festival.de/verbannt-und-verfolgt-beim-mzf-aber-umso-praesenter-exiljournalisten-aus-der-tuerkei/]
In einer anderen Session tauschten sich vornehmlich Jüngere darüber aus, wie sie für ihre Projekte oder Medien Social Media einsetzen und welche Tipps es dabei gibt. Für Berufsneulinge ging es in
einer kleinen Runde darum, welche Erwartungen Redaktionen haben und wie man es zu einer freien Mitarbeit schafft. Und für Fortgeschrittene gab es Tipps zur Gründung eines Medien-Start-Ups.
Zum Abschluss wurde die zuvor schon oft genannte und als sinnvoll gerade für den Lokaljournalismus erachtete Interaktion mit dem Leser gefeiert - mit dem Leserbrief-Slam. Juliane Schwertner und
Maximilian May von der Theatergruppe Die ARTbacken lasen einige besonders krude oder lustige Schreiben an Redaktionen vor. Themen waren natürlich die Flüchtlings-Berichterstattung, aber auch ein
großes Lamento über Mannheim und die Schwierigkeit, in der Stadt eine Partnerin zu finden, weshalb man sich auch gerne der Redaktion für ein "intensives Interview" zur Verfügung stellen möchte,
so ein Angebot. Zu viel der Interaktion. Die fiel dafür beim Publikum umso intensiver aus, und das erste Medien|Zukunft|Festival endete mit viel Applaus.
Julia Schweizer
Impressionen
Alle Fotos: www.StefanBau.com