Das Verhältnis von Pressestellen und Redaktionen ist nicht immer harmonisch, dabei brauchen beide Seiten einander: Wenn Unternehmen und Institutionen Neuigkeiten über ihre Arbeit und Produkte verbreiten möchten, sind die Medien wertvolle Multiplikatoren. Treten Journalist*innen an Pressesprecher*innen heran, weil es um ein besonderes Problem, eine kritische Fragestellung oder gar einen Skandal geht, kann es schwieriger für sie werden, ein ausführliches Gespräch mit PR-Leuten zu bekommen. Der Frust über Eigenheiten und unterschiedliche Auffassungen der Gesprächspartner ist unterm Eindruck unserer digital beschleunigten Medienwelt gewachsen. Redakteure und Journalistinnen müssen immer schneller neue Nachrichten liefern, während Pressesprecher*innen sich mit Vorgesetzten, CEOs und anderen Stellen absprechen und rückversichern müssen, ob das, was sie nach außen tragen, auch der Linie ihres Arbeitgebers entspricht. Um die „Kommunikation in unruhigen Zeiten“ zukünftig besser zu gestalten, haben Christoph Holbein, Vorsitzender des Fachausschusses Festangestellte Redakteur*innen an Medienunternehmen, und Jutta Wellenreuther, Vorsitzende des Fachausschusses Medienkommunikation, am vergangenen Samstag zur Podiumsdiskussion im Stuttgarter Hospitalhof geladen. In der gut zweistündigen Runde sprachen Jörg Howe (Generalbevollmächtigter Kommunikation Daimler Truck), Jürgen Kümmerle (Redakteur Heilbronner Stimme), Alfred Schier (TV-Moderation Phoenix) und Ralf Walther (Pressesprecher der Stadt Mannheim) über Konfliktpotenziale, Probleme und Chancen in der gemeinsamen Kommunikation.
Durch den Druck, möglichst schnell neue Nachrichten zu verbreiten, würden Journalist*innen häufiger Äußerungen von Pressesprecher*innen zuspitzen oder das Gesagte gar gegen sie verwenden, wurde ein Problem von Seiten der Pressesprecher benannt. Auf der anderen Seite komme es deshalb vermehrt zur Haltung, besser gar keine schnellen mündlichen Äußerungen mehr zu treffen, sondern in einem längeren Prozess schriftliche Statements zu formulieren, die wiederum für Journalist*innen zu wenig spontan, lebendig und vor allem zu spät seien. „Wir Journalisten brauchen Pressestellen“, sagt der TV-Moderator Alfred Schier. „Wenn ich zum Beispiel einen Beitrag machen möchte: Wie reagiert ein Unternehmen wie Daimler auf den Krieg in der Ukraine? – Dann brauchen wir das, was uns die Unternehmen mitteilen. Ich stelle aber auch fest, dass die Grundhaltung oft ist; ‚Um Gottes Willen! Bloß nichts Falsches sagen!‘ Dafür gibt es gute Gründe, aber es ist keine gute Strategie.“ Schier plädiert für eine vielstimmige Debatte, in der verschiedene Positionen beleuchtet werden, um Medienkonsumenten ein umfassendes Bild zu vermitteln. Die Weigerung von Unternehmen, Körperschaften und Institutionen, sich in heiklen Momenten zu äußern, erscheint in diesem Zusammenhang kontraproduktiv.
Schier wünscht sich einen kritischen, aufklärerisch-skeptischen Journalismus und kritisiert selbst das Berichten aus einer gewissen weltanschaulichen, von Vorurteilen geprägten Haltung sowie den Mangel an Zeit und Vorwissen bei manchen Berichterstattenden.
Jörg Howe würde selbst keinen CEO in eine Talkshow mehr schicken, da es darin häufig um Konfrontation, nicht aber um Information ginge. Als Gast bei „Hart aber Fair“ habe er erlebt, wie mit bestimmten Mitteln Emotionalität erzeugt würde. Die teils negativen Erfahrungen bei solchen Talkshows würden bei vielen Entscheidern dazu führen, solche Sendungen zu meiden und sich gegenüber der Medienöffentlichkeit bedeckt zu halten.
Jutta Wellenreuther verweist in diesem Zusammenhang auf die Wirkmacht der Bilder und macht klar, dass sich Pressevertreterinnen und CEOs letztlich der eigenen medialen Wirkung viel stärker bewusst werden müssen. „Das hat sich durch die Neuen Medien und die Digitalisierung verschärft“, sagt sie.
Ralf Walther moniert einen Journalismus, der stark persönliche Schicksale darstellen wolle. In diesem Zuge würde oft ein Gegensatz hergestellt zwischen dem Bürger mit Schicksal und einem Gegner, der Verwaltung. „Das ist ein Problem für uns“, sagt Walther.
Der Verleger Klaus Michael Baur von der BNN habe im Blickpunkt-Interview davon gesprochen, man wolle weniger Terminjournalismus machen und sich stärker auf Social Media konzentrieren. „Bedeutet das, dass man weniger zu städtischen Pressekonferenzen kommt, um sich die Fakten abzuholen? Ist dann plötzlich alles in den Social Media Thema für die Redaktion?“, fragt sich Walther.
Jürgen Kümmerle findet, dass in der Diskussion die Medienkonsument*innen vergessen würden. „Es kann doch nicht im Sinne eines Unternehmens oder eines Pressesprechers sein zu sagen : „Ich sage nichts!“ Da hat der Leser nichts gewonnen und auch für ein Unternehmen kann das nicht gut sein.“
Mauern wolle niemand, entgegnet Jörg Howe, es gebe eine intensive Betreuung von Journalist*innen, man müsse aber eben feinfühlig mit offiziellen Statements umgehen.
Christoph Holbein will von Howe wissen, wie sich das Verhältnis zwischen den Beteiligten denn konkret verschlechtert habe. „Der Kostendruck ist gestiegen in den Redaktionen, deshalb werden häufiger jüngere, unerfahrene Leute geschickt. Die Fristigkeiten werden dazu verkürzt“, sagt Howe. So kämen Anfragen um 12 Uhr und sollten schon bis 15 Uhr beantwortet werden. Für komplexe Vorgänge sei das zu knapp. Bei Social Media gingen zudem oft ungeprüfte Nachrichten raus, da müsse man dagegen arbeiten.
Schier kennt die Klagen im Zusammenhang mit den Neuen Medien, wehrt sich aber gegen die Feststellung, alles werde schlechter. Aus Konsumentensicht sei es doch ein Gewinn, Informationen möglichst schnell zu bekommen. Dadurch habe sich natürlich der Beruf des Journalisten verändert, die jungen Kolleg*innen in Ausbildung gingen nun aber schon mit dem Wissen in den Beruf, dass die Social Media an Bedeutung gewonnen haben und sich da neue Felder entwickelt haben. „Nicht alles ist schlecht, sondern es ändert sich radikal, sagt Schier.“
Die Diskussion läuft angeregt weiter, auch das Publikum erhält Gelegenheit, Fragen an die Runde zu stellen. Im Gespräch wird deutlich, dass beiden Seiten an der Zusammenarbeit gelegen ist, es aber auch beidseitig Bedarf an der Verbesserung der Kommunikation gibt. Zu einer grundsätzlichen Verständigung und einem konstruktiven Austausch über aktuelle Problemlagen hat die spannende Veranstaltung im Hospitalhof sicherlich beigetragen.
Kathrin Horster-Rapp
Der DJV dankt Jutta Wellenreuther und Christoph Holbein, dass sie die Gesprächspartner zusammengeführt haben. Wir freuen uns auf weitere Vor-Ort-Gespräche. Das nächste Mal am 26. April um 18 Uhr im Hospitalhof zum Thema „Die Zukunft des Kulturjournalismus“. Anmeldung unter https://www.hospitalhof.de/programm/260422-die-geheimnisse-liegen-da-wo-die-ewigkeit-in-die-zeit-hineinragt/