Rechtstipp März 2023: Kann der Arbeitsgeber eine Betriebsratsgründung verhindern?

Vor genau einem Jahr, März 2022, hatten wir in unserem Rechtstipp erklärt, wie man einen Betriebsrat gründet. Mit Erfolg: In mehreren, meist kleineren Verlagen, haben DJV-Mitglieder eine Betriebsratsgründung in die Wege geleitet – leider jedoch nicht immer ohne Widerstand des Arbeitgebers. Heute beleuchten wir die Frage, ob dieser bei einer geplanten Gründung eingreifen darf.

 

Bevor wir die rechtliche Komponente dieses spannenden Themas beleuchten, sollten wir uns eingangs mit der Gefühlslage eines Arbeitgebers befassen und uns die Frage stellen: Warum würde ein Arbeitgeber in der heutigen Zeit noch die Gründung eines Betriebsrats verhindern wollen? Die Antwort ist so einfach wie nachvollziehbar: Er will Entscheidungen alleine treffen und kein Gremium um sich herum wissen, das diesen möglicherweise widerspricht.

 

Die Angst des Arbeitgebers vor dem Betriebsrat

 

So hört man von der Arbeitgeberseite oftmals ähnliche Worte wie die folgenden: „Ich habe diesen Betrieb vor rund 30 Jahren aus meinen eigenen, finanziellen Mitteln gegründet und bin voll haftbar. Ich muss unternehmerisch komplexe Entscheidungen treffen, auch teils sehr unangenehme, und dies nahezu jeden Tag. Und jetzt soll ich mir auch noch reinreden lassen?!“ Selbst wir als Gewerkschaft teilen diese Sorge, denn selbstverständlich ist es auf den ersten Blick einfacher, wenn es bei der Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen eine Hürde weniger gibt.

 

Dabei vergessen Arbeitgeber aber allzu oft, dass ein Betriebsrat nicht ihr Gegner ist, ganz im Gegenteil: In erster Linie ist er eine Interessenvertretung der Arbeitnehmerschaft, ein Sprachrohr, welches auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber kommunizieren kann.

 

Gut funktionierende Betriebe haben Betriebsräte - und das ist kein Zufall

 

Der Gesetzgeber hat schon lange erkannt, dass es innerhalb von Betrieben einer derartigen Interessenvertretung bedarf. Genau aus diesem Grund gibt es das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Der Gesetzgeber macht damit deutlich, dass grundsätzlich die Gründung von Betriebsräten gewollt ist und gefördert werden soll. Und gerade deshalb kann es für einen Arbeitgeber sogar sehr unangenehm werden, wenn er aktiv die Gründung eines Betriebsrats in seinem Betrieb verhindert.

 

Gemäß § 119 BetrVG kann einem Arbeitgeber nämlich eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr drohen, sofern er aktiv die Wahl eines Betriebsrates behindert oder durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflusst.

 

Schutz vor Kündigung sogar schon vor der Gründung

 

Auch vermeintlicher „Störenfriede“ kann sich der Arbeitgeber nicht mehr ohne Weiteres entledigen: Gemäß § 15 Abs. 3a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sind Arbeitnehmer*innen vor einer ordentlichen Kündigung geschützt, sobald mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer*innen der Belegschaft zur Betriebsversammlung einladen, auf der die Gründung eines Betriebsrates beschlossen werden soll. Seit Juni 2021 geht der Schutz sogar noch weiter:

 

Der durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz vom 18.06.2021 neu eingefügte § 15 Abs. 3b KSchG dehnt den besonderen Kündigungsschutz zeitlich nach vorne auf sogenannte „Vorfeld-Initiatoren“ aus, also solche Arbeitnehmer*innen, die sich vor Veröffentlichung des Einladungsschreibens zu einer Wahlversammlung für die Gründung eines Betriebsrates einsetzen. Es reicht also schon aus, nur die Absicht zu haben, einen Betriebsrat zu gründen. Diese Absicht muss sich der*die Arbeitnehmer*in notariell beglaubigen lassen. Der besondere Kündigungsschutz beginnt mit der notariellen Beglaubigung der Absichtserklärung und endet mit der Einladung zur Wahl, spätestens jedoch drei Monate nach der Beglaubigung.

 

Um die Eingangsfrage also schlussendlich zu beantworten: Nein, der Arbeitgeber kann bei Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen (siehe Rechtstipp von März 2022) die Gründung eines Betriebsrates nicht wirksam verhindern. Im Gegenteil: Er macht sich eventuell sogar strafbar.

 

Ein Rechtstipp ersetzt nicht die umfassende, rechtliche Beratung im Einzelfall. Mitglieder und solche, die es werden wollen, sind herzlich eingeladen unsere Geschäftsstelle zum Thema „Betriebsratsgründung“ zu kontaktieren. Wir helfen gerne weiter.